Sonntag, 14. Juli 2013

Gleichgewicht finden

In den letzten Wochen war ich irgendwie öfters mit nervigen Situationen und anstrengenden Fragen konfrontiert. Die letzten Wochen haben Kraft gekostet. Für mich bedeutet ein fürsorglicher Umgang mit mir selbst zu entscheiden, in welcher Situation ich diese Kraft aufbringe und in welcher auch nicht. Noch wichtiger als die Entscheidungsfähigkeit selbst (die ja auch leider nicht immer gegeben ist, sonst würde ich ja auch nicht schreiben, dass ich mich konfrontiert fühle), ist die Frage, wie ich mich in welcher Situation jeweils entscheide.

Im Groben kann ich zwei Tendenzen ausmachen, die sich vermutlich auf einem Kontinuum befinden und in verschiedenen Schattierungen zu Tage treten: Selbstschutz, der meist in Ignorieren oder Eskalieren besteht, und Verantwortung übernehmen, wo ich versuche zu erklären und Kritik zu vermitteln. Für welche Variante oder Nuancen der jeweiligen Variante ich mich entscheide, hat viel damit zu tun, wie ich in der jeweiligen Situation positioniert bin.

Situation Nummer eins: In einem Gespräch kommt das Thema Coming-Out und die Situation von Lesben auf. Ich hab mir das Thema nicht ausgesucht. Irgendwann fällt der Satz: "Ich finde es so schlimm, dass Menschen dafür diskriminiert werden, wen sie lieben." Ich verstumme, mir fehlen die Worte. Ich kann das vermeintliche Einfühlen in meine Lebensrealität nicht aushalten. Ich fühl mich zu einer Lektion in eigener Toleranz und politischer Bewusstwerdung stilisiert. Ich komme erneut nicht wirklich vor oder nur als vermeintliche Hülle meiner selbst. In der Situation habe ich mich entschieden, nichts zu sagen. Ich wollte weder mich kritisch dazu äußern noch auf die gewonnene Einsicht eingehen. Aus Selbstschutz habe ich mich für Ignorieren entschieden. In ähnlichen Situationen hab ich mich auch schon für Wut entschieden und der Summe meiner Erfahrungen Raum gegeben. Wenn ich die Zielscheibe der gesammelten Erkenntnis werde, ist es nur fair, wenn dich meine gesammelte Erfahrung mit deinen Erkenntnissen trifft. Es gäbe noch die Möglichkeit mich zu dem Gespräch zu äußern. Doch bei der Entscheidung, ob ich das tun möchte, werde ich auf meine Kräfte achten. Und das finde ich gut so.

Situation Nummer zwei: In einem Gespräch wird die Frage gestellt, wie sich bislang weiß dominierte Räume für People of Color und Schwarze öffnen können. Es werden Ideen in den Raum geworfen, die ich bevormundend bis ausgrenzend finde. Die konkreten Aussagen sind hier egal und auch zum Teil beliebig austauschbar. Auch hier habe ich mir das Thema in der Situation nicht ausgesucht. Doch in dieser Situation fällt meine Entscheidung anders aus. Als weiße Person finde ich es wichtig, auf von mir wahrgenommene problematische Setzungen zu verweisen und meine Erfahrungen an antirassistischer Zusammenarbeit weiterzugeben. Auch diese Gespräche kosten Kraft, weil sie viel Selbstreflektion erfordern, und kritische Solidarität manchmal ein schwer bewohnbarer Ort ist. Die Frage nach meinen Kräften ist bei der Entscheidung für den Austausch nachrangig. Und das finde ich gut so.

Vielleicht bedeutet das, mich öfters gegen eine Gesprächsbereitschaft über meine Diskriminierungen zu entscheiden, um häufiger eine_ Verbündete_ sein zu können. Ein Haushalten meiner Kräfte, das selbstverständlicher meine Selbstverständlichkeiten in Frage stellt und keine Anerkennung für mein Anerkennen von Diskriminierungen will.

Was kostet dich Kraft?
Wie teilst du deine Kräfte ein? Wie entscheidest du, wo du deine Energien reingibst?
Wo tankst du Energie? Auf wessen Kosten?
Wie gibst du anderen Kraft? Wem und wem nicht?

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