Sonntag, 23. Juni 2013

Warum tue ich das, was ich tue? - Feministische Motivationen

An meiner Wand hängt eine Mindmap, in der ich über meine Antigewaltarbeit kritisch reflektiere. Sie ist entstanden, als ich mich im Rahmen meiner Ausbildung zur systemischen Beraterin damit beschäftigt habe, welche Glaubenssätze mir (von Seiten meiner Herkunftsfamilie) mitgegeben wurden.
In dieser Mindmap findet sich als eine von vielen Spuren die Frage: Welche Rolle spielen Schuldgefühle und schlechtes Gewissen in meinem Aktivismus?
Hat mich ein Unrechtsempfinden zu meinem feministischen Handeln gebracht und hält mich ein schlechtes Gewissen, niemals genug machen zu können, dabei? Inwiefern fühle ich mich verpflichtet? Und wem oder was gegenüber eigentlich?
Diese Schuldgefühle spannen sich in zwei Richtungen auf: Leidensdruck und Verantwortung.
Leidensdruck ist für mich eine Haltung, mit der ich mich manchmal konfrontiert fühle. Als Feministin und Betroffene von Sexismus (neben anderen Machtverhältnissen) muss es mir schlecht gehen - und lange Zeit tat es das einfach, ohne dass ich da irgendwelche Mitsprachemöglichkeiten gefunden hätte. Kann ich überhaupt eine echte Feministin sein, wenn ich nicht permanent an dieser Gesellschaft leide? (Mir geht es hier nicht darum, irgendwen zu kritisieren, der es mit gesellschafltichen Verhältnissen schlecht geht oder an diesen verzweifelt - http://virtualretreatcenter.blogspot.de/2013/05/everybody-hurts-sometimes-umgang-mit.html) Lange Zeit hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn es mir gut ging, was ich damit kompensiert habe, mich noch mehr um andere zu kümmern. Heute bestehe ich mehr auf dem "trotz": trotz aller sexistischen und anderen diskriminierenden Kackscheiße kann und darf ich meine glücklichen Momente haben.
Verantwortung ist für mich ein wichtiger Perspektivwechsel in Bezug auf Schuldgefühle, wenn es um mein solidarisches Handeln aus meinen privilegierten Positionen heraus geht. Mir und anderen bringt es nichts, wenn ich mich beispielsweise wegen rassistischen Zuständen und Verhaltensweisen schuldig fühle. Und es bringt auch nichts, wenn ich in meinem schlechten Gewissen über Ungelerntem und Unreflektiertem verharre. Stattdessen will ich mich immer wieder neu fragen: Wie kann ich Verantwortung für mein eigenes Handeln und diskriminierende Verhältnisse übernehmen? Für mich gehört dazu auch, darüber nachzudenken, wie ich anderen in meinen feministischen Communities ermöglichen kann, für sich selbst zu sorgen und wie ich Räume schaffen kann, in denen sich auch Mehrfachzugehörige geschützt(er) und wohl(er) fühlen können.

Ich merke, dass es für mich wichtig ist, mich mit meinen feministischen Motivationen auseinanderzusetzen, weil sich darin auch viele eigene Glaubenssätze verbergen. Viele dieser Glaubenssätze entsprechen dabei nicht unbedingt meinen feministischen Idealen, sondern sind Teil einer kapitalistischen Selbstdisziplinierungslogik, die Selbstfürsorge und einen wohlwollenden Umgang mit mir selbst häufig verhindert. Zu diesen Glaubenssätzen gehören: "Du bist nur etwas wert, wenn du etwas leistest.", "Du darfst dich erst ausruhen, wenn du dein Ziel erreicht hast." Diese Glaubenssätze führen häufig auch dazu, dass ich anderen Feminist_innen mit Härte begegne. Manchmal merke ich, wie ich von anderen erwarte, dass sie mehr tun, damit ich weniger tun kann - weil ich meinen allgemeinen Maßstab, was passieren muss, nicht runterschrauben kann. Zur Zeit übe ich mich darin, unterschiedliche Zugänge, Bedürfnisse und Limits stärker wahrzunehmen und anzuerkennen. Dabei ist es mir wichtig, dass es viele unterschiedliche Gründe für ein vermeintliches "Weniger" geben kann und dass ich nicht erst bei einem Verweis auf Erschöpfung, Grenzen oder das B-Wort (Burnout) von meinen Erwartungen an andere abrücke. In dem Bereich hab ich noch viel zu lernen, was aber hoffentlich auch zu mehr Nachgiebigkeit mit mir selbst führt.

In der Mindmap findet sich als alternative Spur auch die Frage: Wie kann ich die Sonnenseiten des Lebens spüren und Freude in meinem Aktivismus erfahren?
Ich hab die Vorstellung, dass Freude kein Ziel von feministischem Aktivismus sein kann und trotzdem ist es für mich ein wichtiger Bestandteil meiner feministischen Lebensweisen. Nähe und Intensität spüren und das Erleben gegenseitiger Solidarität, auch wenn diese Erfahrungen immer wieder mit Widersprüchen, Scheitern und Ambivalenzen angefüllt sind, gehören für mich zu meinem feministischen Alltag und lassen mich auch nach schweren Phasen und (Selbst-) Zweifeln immer wieder weiter machen. Manchmal wünsche ich mir, dass mein feministisches Handeln stärker von Hoffnung und Zuversicht geprägt ist. Und dann frage ich mich, inwiefern mir meine Privilegien erlauben, zuversichtlich und hoffnungsvoll sein zu wollen bzw. punktuell sein zu können.

Was motiviert dich zu deinem feministischen Handeln?
Wie bewegst du dich zwischen schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen?
Was macht dir Druck?
Welche anderen Motivationsspuren finden sich in deinem feministischen Leben?

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