Mittwoch, 1. Mai 2013

ReAktionsdruck

Als feministische Aktivist_innen spielen wir häufig Feuerwehr. Selbst in meinem Körper ist ReAgieren eingeschrieben, sei es auf den sexistischen oder homophoben Spruch auf der Straße oder irgendwas Rassistisches, das in den Medien passiert.

Meine Hoffnung ist, dass es auch irgendeine Form von Agieren ist, weil ich handle, Sachen nicht hinnehme und versuche, auf eine kleinere oder gesellschaftlichere Veränderung hinzuwirken. Und doch bleibt es immer nur eine Reaktion. Ich agiere, weil ich in das Agieren anderer intervenieren möchte. Und dabei entsteht eine Abhängigkeit. Ich spüre die Abhängigkeit, wenn ich emotional davon belastet bin, was um mich herum passiert. Ich spüre die Abhängigkeit, wenn auf die Reaktion von mir keine Reakton kommt oder eine gewaltvolle Reaktion kommt. Ich spüre die Abhängigkeit, wenn ich immer mehr Energie in die gewaltvolle Dynamik gebe, weil ich die Hoffnung habe(n muss), dass sich vielleicht doch noch etwas verändert.

Ich brauche Zeiten, wo ich aus diesem ReAktionsdruck aussteige. Und doch liegt die Entscheidung so selten bei mir, außer ich ziehe mich in die Isolation zurück und bin auch nicht in virtuellen Welten unterwegs.
Ein kleiner Schritt aus der Abhängigkeit heraus ist, wenn ich meine Zufriedenheit mit Interventionen nicht an der ReAktion meines Gegenübers messe, sondern an meinem eigenen Verhalten: Habe ich nach meinen eigenen Werten gehandelt? Habe ich eine Intervention gefunden, in der ich keine Gewalt reproduziere? Hab ich auf meine eigene Sicherheit geachtet? Hab ich mir danach selbst Anerkennung gegeben bzw. gut für mich gesorgt, wenn die Situation mich verletzt, verunsichert oder gefährdet hat?

Es hilft mir aber auch, die Momente und Situationen zu sammeln, in denen mein ReAgieren einen Effekt hatte, in denen ich kleine Veränderungen bewirkt habe. All die schlechten Erlebnisse bleiben meistens stärker hängen. Und ich habe gemerkt, dass ich mich aktiv an die (mehr oder weniger) erfolgreichen Interventionen erinnern muss. Diese Erlebnisse hab ich meistens in meinem sozialen Umfeld oder in Kontexten, wo ich mich auf gemeinsame Werte beziehen kann, wo es emotionale und/oder politische Nähe gibt.

Um sich an positive Erlebnisse zu erinnern, kann ich dir zwei verschiedene Formen vorschlagen:
1. Du kannst ein Freude-Heft führen, in das du jeden Abend fünf Sachen schreibst, über die du dich heute gefreut hast. Für manche kann es auch stimmiger sein, das Heft als Dankbarkeitsheft zu bezeichnen und Sachen zu notieren, für die du dankbar bist. Dort ist dann eben auch Platz für ReAktionen, mit denen du zufrieden warst.
2. Du kannst dir ein Einmachglas zulegen, in denen du deine Erfolgserlebnisse sammelst. Jedes Erfolgserlebnis kommt auf einen kleinen Zettel, der zusammengefaltet und ins Glas gelegt wird.

Und wenn du frustriert bist oder dich über die Welt ärgerst, kannst du nachlesen, was du schon geschrieben hast und hoffentlich wieder Energie für die nächsten ReAktionen tanken.

Weitere Blogposts zu dem Thema:
Eine Frage der Haltung
Immer auf Rufbereitschaft

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